DIE MEDIZIN ALS KUNST, DER ARZT ALS KÜNSTLER

Heilkunst, Kunstfehler (aus dem lateinischen „lege artis“) – der Begriff „Kunst“ ist seit jeher eng mit der Medizin verknüpft. Die Bedeutung des Begriffs Kunst hat sich im Laufe der Zeit jedoch immer wieder verändert. Während der Begriff zunächst im weitesten Sinne jede entwickelte Tätigkeit, die auf Wissen, Übung, Wahrnehmung, Vorstellung und Intuition gegründet ist, bezeichnete, so versteht man seit der Aufklärung unter Kunst vor allem die Ausdrucksformen der Schönen Künste: Bildende Kunst (Malerei, Grafik, Bildhauerei, Architektur, Angewandte Kunst), Musik, Literatur, Darstellende Kunst (Theater, Tanz und Film).

Sind Ärzte Künstler?

Im Hinblick auf die Ausdrucksformen der Schönen Künste, die in unserer Zeit gemeinhin als Kunst verstanden werden, lassen sich insbesondere im Hinblick auf Architekten und Ästhetische Mediziner zumindest zahlreiche Analogien feststellen.

Ähnlich wie ein Architekt, dessen Hauptaufgabe darin besteht Gebäude und Bauwerke zu entwerfen – und das in gestalterischer, funktionaler, technischer und wirtschaftlicher Hinsicht – kümmert sich der Ästhetische Mediziner sozusagen um die optisch perfekt ausgearbeitete Architektur des Körpers. Seine „Baustelle“ ist der Mensch, den er zu einem „schöneren“ Äußeren führen möchte.

Die Parallelen sind aber nicht nur künstlerischer Natur, sondern haben auch viel mit Wissen und Werten zu tun:

Analogien zwischen Architekten und Ästhetischen Medizinern

Ästhetik vs. Funktion

In ihrer Tätigkeit tragen Architekten und Ästhetische Mediziner eine große Verantwortung und müssen häufig einen großen Spagat zwischen Ästhetik und Funktion bewältigen. Es gilt stets abzuwägen zwischen dem, was vom Bauherrn/Patienten gewünscht wird und dem, was aus fachlicher Sicht vertretbar und sinnvoll ist. Sind beispielsweise die Wünsche des Bauherrn wegen der Statik nicht oder nur teilweise umsetzbar, so muss der Architekt eine für beide Seiten vertretbare Lösung für das Problem erarbeiten. Ähnlich geht es dem Ästhetischen Mediziner: Möchte der Patient eine Schönheits-OP, die von den körperlichen Voraussetzungen her nicht tragbar ist, gilt es dem Patienten ggf. von einer alternativen Lösung zu überzeugen.

Anpassen an individuelle Voraussetzungen

Allein dieses Dilemma zeigt schon auf, wie individuell die Anforderungen an das jeweilige „Projekt“ sind. Kein Bauauftrag und kein plastisch-ästhetischer Eingriff kann nach einem allgemeingültigen Rezept oder dem sog. Schema F ablaufen. Jede Bausubstanz, jeder Bauplatz und eben auch jeder Körper ist einzigartig. Die Voraussetzungen sind daher jeweils höchst-individuell und stellen Architekten und Ärzte immer wieder vor neue Herausforderungen.

Kunstfertigkeit und Expertise

Egal, ob ein Gebäude renoviert werden (was in der ästhetischen Medizin z. B. einem Facelifting ähnelt), umgestaltet (ähnlich einer Nasenkorrektur) oder komplett neu gebaut werden soll (wie z. B. eine Brustvergrößerung bei einer kaum ausgebildeten Brust): Jeder Architekt und jeder Ästhetische Mediziner muss in der Lage sein, die Prozesse zum Ziel umfänglich zu betrachten und Lösungswege entwickeln, die zum Ziel führen – mitunter ohne diese Wege in exakt gleicher Weise schon einmal gegangen zu sein. Ein besonders hohes Maß an Kunstfertigkeit und Expertise, die sich mit jedem weiteren Projekt verfeinert und ausbildet, trägt zu einer komplikationsarmen Realisierung bei.

Umfassendes Fachwissen und Materialkenntnis

Unumgänglich ist das Fachwissen, das beide Berufsgruppen benötigen, um eine qualitativ hochwertige Arbeit mit ansprechenden Ergebnissen leisten zu können. Für den Architekten ist es wichtig, z. B. über seine Werkstoffe genauestens Bescheid zu wissen. Er muss z.B. einschätzen können, ob die verbauten Materialien den Ansprüchen an Lebensdauer gerecht werden können und ob gesetzliche Vorgaben (z. B. an den Brandschutz) eingehalten werden. Ebenso muss der Ästhetische Mediziner einschätzen können, wie sich eingebrachte Materialien im menschlichen Körper verhalten und ob das menschliche Gewebe an den jeweiligen Stellen dafür geeignet ist.

Intuition und Vorstellungskraft

Moderne 3-D Programme stehen heute sowohl Architekten als auch Ärzten zur Verfügung, die zum Einen die Abstimmung mit dem Bauherren/Patienten erleichtern und zum anderen bei der Planung helfen können. Dennoch hat die 3-D Simulation ihre Grenzen und kann die zwingend nötige Intuition und Vorstellungskraft des ausführenden Architekten bzw. Arztes nie ersetzen.

Beide Berufsgruppen müssen vorausschauend handeln und immer berücksichtigen, wie sich das Material (bzw. Gewebe) im Zuge der fortschreitenden Alterung verändert.

Planungsfehler sind oft folgenschwer

Fehlentscheidungen können für Architekten (bestes Beispiel ist der Flughafen Berlin-Brandenburg, BER) wie auch Ärzte weitreichende Konsequenzen haben. Sowohl die grundsätzliche Machbarkeit eines Projekts, die Ästhetik des Ergebnisses und die Sicherheit (Statik / Gesundheit) sind hier zu nennen. Nachträgliche Korrekturmaßnahmen sind in der Regel sehr aufwändig, unangenehm und nicht immer von Erfolg gekrönt.